Videoprogramm
Nina Fischer & Maroan el Sani
7.4. – 8.6.2021

Anhand von neun Projekten ergibt sich ein spannender Überblick über 25 Jahre gemeinsamer Arbeit. Stipendien haben Nina Fischer & Maroan el Sani für längere Zeit nach Paris, Amsterdam, Rom, Tokio und Kyoto gebracht. So stellt nicht nur die Transformation der Metropole Berlin seit der Wiedervereinigung ein kontinuierliches Thema ihrer Arbeit dar, sondern vor allem auch andere historische Räume, an denen sie sich verändernde Identitäten aufspüren und unter der veränderten Sicht der Gegenwart kritisch neu bewerten.

Fischer & el Sani beginnen ab 1995 ein gemeinsames Werk. Von Anfang an stehen Transformationsprozesse von individuellen und kollektiven Identitäten, von Orten und Utopien im Mittelpunkt ihrer Aufmerksamkeit. Damit bringen die Arbeiten Defizite im medial vermittelten Alltag zurückliegender Jahrzehnte zum Vorschein. Indem es ihnen gelingt, das Fremde als gleichwertig zu zeichnen und die Spannung spürbar zu machen, die an Orten überkommener Utopien aus Technik, Wirtschaft und Politik im Leben der Menschen entstehen, erscheint Fischer & el Sanis scheinbar dokumentarisches Werk aktueller denn je.

Nicht nur in Berlin entstehen poetisch dichte Filme, die die Veränderungen im urbanen Raum sichtbar machen. Auch und vor allem in anderen Regionen der Welt greifen Fischer & el Sani Spuren auf, die individuelles Leben in Zeiten großer Umbrüche beleuchten. So etwa während mehrerer Aufenthalte in Japan als Langzeitprojekte über das Schicksal von Familien entstanden, die durch die Nuklearkatastrophe von Fukushima ihre Heimat verloren haben. Oder die Geschichte einer künstlichen, vor Nagasaki gelegenen Insel, auf der bis 1974 mehr als 5000 Bergarbeiter und deren Familien auf kleinstem Raum lebten und arbeiteten, bis sie schlagartig umgesiedelt wurden, weil Atomkraftwerke inzwischen effizienter waren und die Insel seither unbetretbar verfällt.

Oder sie nehmen in „Freedom of Movement“ den olympischen Marathonlauf des Äthiopiers Abebe Bikila 1960 in Rom auf und erinnern anhand von Found Footage und Reenactment an den ersten Sieg eines Schwarzafrikaners, der jemals bei den Olympischen Spielen errungen wurde. Eine andere Arbeit geht der Tatsache nach, dass der Anspruch, dass in einem Gebäude wie der Nationalbibliothek in Paris alles Wissen der Welt gespeichert werden kann, schon in der Vergangenheit einer vermessenen und kulturell ausschließenden Utopie glich.

Die kritische Auseinandersetzung mit der Aneignung des Fremden spielt auch in den jüngsten Arbeiten der beiden Medienkünstler eine zentrale Rolle. Immer wieder gelingt es ihnen, fundamentale Fragen nach Veränderung und Identität zu stellen. Nicht zuletzt in ihrer jüngsten Arbeit „Appropriation takes you on a weird ride“ von 2020, in der sie der über 300 Jahre alten „Indianerbegeisterung“ der Deutschen nachgehen und überkommene Herrschaftsmuster zu Tage fördern, überzeugen sie durch detaillierte Recherche, überraschende Perspektiven und technische Perfektion.

Die in Berlin lebenden Künstler arbeiten seit 1993 im Team. Nina Fischer (*1965, Emden) hat an der Hochschule der Künste in Berlin u.a. bei Valie Export Visuelle Kommunikation studiert, sowie Regie an der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin. Maroan el Sani (*1966, Duisburg) studierte an der Freien Universität Berlin Filmwissenschaft und Publizistik. Beide Künstler hatten von 2007 bis 2010 eine Associate-Professur an der Sapporo City University für Media Art in Japan inne. Seit 2015 ist Nina Fischer Professorin für experimentellen Film und Medienkunst an der Universität der Künste in Berlin.

Kuratiert von: Katja Blomberg