Bjørn Melhus
Live Action Hero
Parallel zur 61. Berlinale 2011 zeigt das Haus am Waldsee eine erste Übersichtsausstellung des norwegischen-deutschen Videokünstlers Bjørn Melhus (*1966). „Live Action Hero“ zeigt Arbeiten seit den frühen 90er Jahren bis heute. Vier neue Filme und Videoinstallationen zur Thematik traumatisierter Kriegsheimkehrer führt Melhus bis in die Märchenwelt der Brüder Grimm zurück. Der Künstler arbeitet die Absurditäten des Mediums Kino und TV heraus. Als einer der international angesehensten Videokünstler seiner Generation lebt Bjørn Melhus seit 1987 in Berlin.
Seit Neil Postman ist das Phänomen der Medialisierung der Gesellschaft durch das Eindringen von Fernsehen, Film und Videoclip als Kommunikations- und Erfahrungsersatz analysiert worden. Der Mensch hat sich in einen passiven Konsumenten medialer Massenware verwandelt. Er kann kaum noch zwischen Unterhaltung, Traum, Trauma und Information unterscheiden. Vierundzwanzig Stunden am Tag werden TV-Programme mit Fertigbedeutungen gereicht. Das Erleben der realen Welt scheint überflüssig geworden zu sein.
Vor diesem Hintergrund baut Melhus aus assoziativ zusammengefügten Audiofragmenten der Filmwelt Fabeln und Geschichten auf, denen er eigens gedrehte Filme unterlegt. Dabei spielt Melhus konsequent alle Rollen selbst. Er hinterlegt sie mit Tonspuren berühmter, meist verstorbener Hollywoodstars, deren männliche und weibliche Stimmen und Aussagen sich der Künstler in den Mund legt. Seit „Zauberglas” (1991) oder „Again and Again” (1998) stehen nach diesem bis heute gültigen Konzept Fragen der eigenen Identität, dem Woher und Wohin sowie der Grenze zwischen Ich und Medienwelt im Mittelpunkt des Werkes. Die Ausstellung „Live Action Hero“ macht dies deutlich, indem sie den Bogen über den gesamten bisherigen Schaffenszeitraum von zwanzig Jahren spannt.
Besondere Aktualität erhält die Schau durch Melhus‘ Beschäftigung mit amerikanischen Kriegs- und Antikriegsfilmen, in denen traumatisierte Veteranen seit dem Vietnamkrieg in den Medien verherrlicht, in Wirklichkeit aber als psychisch gebrochene Menschen kaum noch Chancen haben sich wieder in die gewohnten sozialen Netze zu integrieren. Actionfilme erreichen auch heute noch ein begeistertes Millionenpublikum. In der Realität jedoch werden die Rückkehrer die Gespenster des Krieges innerlich nicht mehr los. Diese nach Irak und Afghanistan auch in Deutschland aktuelle Situation verarbeitet Melhus in seinen jüngsten Werken. So geht der Titel der Ausstellung auf die jüngsten Projekte aus diesem Themenkomplex hervor und bezieht sich auf Videoarbeiten wie „Deadly Storms“ (2008) oder „Hecho en Mexico“ (2009).
In der Ausstellung wird ein bestuhlter Kinoraum eingerichtet. Hier sind fünf Filme aus Melhus‘ cinematografischem Werk der vergangenen 15 Jahre zu sehen. Weitere Arbeiten wie „I do not belong in this House” oder “I am not the enemy” werden in den Ausstellungsräumen teilweise szenisch aufgebaut oder in Großprojektionen inszeniert.
Es erschien ein Katalog in Deutsch und Englisch. Texte von Katja Blomberg und Felix Laubscher und Bjørn Vedder. Verlag Walther König, Köln.