Ausstellung
Julian Röder – Recht und Raum

Julian Röder, Lichtgebet am Morgen der Sommersonnenwendefeier zur Wiederbelebung der vedisch-slawischen Ahnenkultur, Krasnojarsk, Sibirien, 2016, Archival Pigment Print, 143 x 96 cm

Julian Röder

Recht und Raum

18.11.2016 – 12.02.2017

Seit fünfzehn Jahren baut der in Ostberlin aufgewachsene Fotokünstler Julian Röder (Jg. 1981) ein beeindruckendes Werk zum Thema Macht und Ökonomie auf, das bereits internationale Beachtung fand und nun zum ersten Mal in einer größeren Überblicksausstellung in Berlin zu sehen ist.

Nach dem Studium der Fotografie bei Timm Rautert an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig entwickelt Röder, der zuvor bei Ostkreuz in Berlin als Fotograf ausgebildet wurde, in den frühen 2000er Jahren die künstlerische Haltung des distanzierten Beobachters. Im Fokus seiner seriellen Arbeiten stehen von Anfang an die subtilen gesellschaftlichen Veränderungen der globalisierten Gegenwart.

Beim G8 Gipfel 2001 in Genua war Röder noch selbst Teil der DemonstrantInnen-Szene. Mehr und mehr wurde ihm jedoch bewusst, dass er nur mit dem Blick von außen zu relevanten Bildern finden konnte. Er versuchte das einzukreisen, was eigentlich in der Kritik stand. Wie sich im Laufe der Jahre zeigte, verliefen die Protestaktionen mit jedem weiteren G8 Gipfeltreffen jedoch zunehmend ins Leere. Die VeranstalterInnen hatten die Tagungsorte in ländliche Gegenden verlegt, wo die Aktionen schließlich zu puren Verhaltensgesten erstarrten. Über das Mediale hinaus entwickelten die Aktionen kaum noch politische Wirkung. Röder hat diesen Prozess zwischen 2001 und 2008 beobachtet und in „The Summits“ festgehalten.

In „Human Resources“ hat Röder sich dann zwischen 2007 und 2009 auf Konsummessen begeben. Unbemerkt hat er dort FachkundInnen und VerkäuferInnen fotografiert und sein Augenmerk in der künstlichen Situation einer Messe ganz auf die Körpersprache der Beteiligten gelenkt. Röder löschte alle Logos und Namen, die im Hintergrund der Bilder erschienen, aus und legte so die Posen der Beteiligten frei, die von Künstlichkeit und medialer Konformität erzählen. Die Beobachteten werden zur Staffage einer austauschbaren Waren- und Marketingwelt.

2011 fotografiert Röder für die Serie „World of Warefare“ auf der International Defence Exhibition and Conference, IDEX, der größten Waffenmesse der Welt in Abu Dhabi. Bewusst versucht er in seinen Bildern die Situation bis zum Absurden zu überzeichnen. Ausgerechnet in einer Wüste kommen sich Macht und Ökonomie auf dieser von der Öffentlichkeit abgeschirmten Veranstaltung am nächsten.

In einer weiteren Serie, „Mission and Task“ arbeitet Röder 2012/13 mit Mitteln der Werbefotografie im Freien und setzt dabei Kunstlicht ein. Auf diese Weise führt er die geheime Infrastruktur zur Sicherung europäischer Außengrenzen vor, die wie ein Schutzwall unseres westlichen Wohlstandes fungiert. Unter harmlosen Oberflächen verbergen sich in Zeppelinen oder Heiligen-Kapellen, hinter Zäunen oder auf Satelliten modernste Überwachungssysteme, die zu Lande, zu Wasser, aus der Luft und aus dem All jeden, der in ihre Nähe kommt, beobachten und taxieren.

Ausstellung und Katalog stellen eine Kooperation zwischen dem Haus am Waldsee und der Akademie der Künste, Berlin dar. Im Rahmen des Ellen-Auerbach-Stipendiums der Akademie der Künste hat Julian Röder die neue Serie „Licht und Angst“ verwirklichen können, die in der Ausstellung vorgestellt wird. Dabei führt der Künstler seine Recherche zum Thema Macht und Ökonomie bis in die Bereiche Gedankenfotografie und Verschwörungstheorien fort. Er begibt sich zudem in ein Umfeld irrationaler mystisch überhöhter Gesellschaften, denen Intuition mehr gilt als rationales Denken. Er richtet sein Augenmerk auf Gruppen, für die altgermanische Mythen und magische Orte größere Bedeutung haben als wissenschaftliche Argumente.

So gegensätzlich die parallel existierenden Welten von ManagerInnen, DemonstrantInnen und EsoterikerInnen auf den ersten Blick erscheinen, so überzeugend arbeitet er Gemeinsamkeiten heraus: Das nicht näher definierte Böse gefährdet die Freiheit und das Glück des Einzelnen. Das Feindbild nährt sich aus Behauptungen und Projektionen. Es ist somit Konstrukt menschlicher Imagination.

Ein zweisprachiger Katalog ist im Verlag Walther König, Köln erschienen. Diese Publikation wurde durch das Preisgeld des Ellen-Auerbach-Stipendiums der Akademie der Künste Berlin ermöglicht.

 

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