Søren Kierkegaard
Entweder / Oder
Im Spiegel zeitgenössischer Kunst
“Entweder / Oder” nimmt den 200. Geburtstag von Søren Kierkegaard (1813 – 1855) zum Anlass, im Sommer 2013 im Berliner Haus am Waldsee eine große internationale Gruppenausstellung zu zeigen, die das Denken des dänischen Philosophen und Theologen in der Bildenden Kunst von heute reflektiert. Die Ausstellung bezieht sich konkret auf Kierkegaards zentrale Schrift „Entweder / Oder“, die der Dreißigjährige 1841 bis 1843 in Berlin verfasst hat.
Kierkegaard hinterfragt existentielle Fragen zu Liebe und Tod aber auch zur Wahl zwischen Leidenschaft und Rationalismus: „tue es oder tue es nicht, du wirst beides bereuen“ ist sein Motto. Im Licht der multiplen Möglichkeiten und fragmentierten Wahrnehmungen im 21. Jahrhundert wirken diese Gedanken heute stärker nach, als es sich der Philosoph jemals erträumt hätte.
In seiner Schrift unterscheidet Kierkegaard zwischen zwei Persönlichkeiten und ihrer unterschiedlichen Hingabe an das Leben: dem „Ästheten“ (A) und dem „Ethiker“ (B). Der Ästhet ist ein unterhaltungsfreudiger Hedonist, der intuitiv mit seinen Sinnen auswählt und das Leben eher erotisch, verspielt und verführerisch angeht. Der Ethiker wählt sein Lebensziel hingegen nach klar definierten Vorstellungen. Für ihn sind ethische Überzeugungen, Ausbildung, politisches Engagement und Konventionen ausschlaggebend. Eine reflektierte und vernünftige Einstellung zum Leben ist für sein Handeln wichtig. Kierkegaard zeigt in seiner Schrift auf, welche Überlegungen und Erfahrungen für das Individuum wesentlich sind, um für sich der Wahrheit näher zu kommen. In diesem Sinne begreift er Wahrheit als etwas, das jeder finden kann. Seiner Meinung nach wird jeder Mensch im Laufe des Lebens mit existentiellen Fragen konfrontiert und beginnt nach wahren Werten zu suchen, auf deren Grundlage er existenzielle Entscheidungen trifft.
Die Ausstellung “Entweder / Oder” reflektiert diese Wahlsituationen im Sinne Kierkegaards. Im ersten Teil sind Arbeiten zu sehen, die den ästhetisch-hedonistischen Aspekt der Lebenswahl thematisieren. Im zweiten Teil werden eher ethisch-zielgerichtete Stellungnahmen und Lebensentwürfe wie z.B. eine reflektierte Haltung zur Nächstenliebe in der zeitgenössischen Kunst untersucht.
Die Gruppe der Ästheten (Teil 1) liebt Form, Material, Farbe, Visualisierung, Sensation, Verführung, Ironie, Verspieltheit und Abenteuer. Der Gruppe der Ethiker (Teil 2) schätzt Rationalität, Inhalt, Übersicht, Konsequenz, Empathie, Wiederholung, politisches Engagement und Loyalität. Während die Gruppe des ersten Teils ästhetische Werte im Leben als Motor für ihre Kunstproduktion ansieht wie etwa Birgit Brenner oder Tal R, erkunden die Künstler im zweiten Teil emphatisch-ethische Grundlagen als Lebensbedingungen. Zwischenmenschliches Verhalten bis hin zu Glaubensfragen sind die Themen in Arbeiten von z.B. Kerry Tribe oder Renzo Martens.
Teilnehmende Künstler:
Ästhethiker: Birgit Brenner (geb. 1964, Deutschland), Alfred Boman (geb. 1981, Schweden), Tom Hillewaere (geb.1980 Belgien), IEPE (geb.1974, Niederlande), Kirstine Roepstorff (geb. 1972, Dänemark), TAL R (geb. 1967, Israel), Lee Yongbaek (geb.1966,Korea).
Ethiker: Christian Falsnaes (geb. 1980, Dänemark), Ahmad Ghossein (geb. 1981, Libanon), Jeppe Hein (1974, Dänemark), Stine Marie Jacobsen (geb. 1977, Dänemark), Renzo Martens (geb. 1973, Niederlande), Cia Rinne (geb. 1973, Schweden), Liv Strand (geb. 1971, Schweden), Kerry Tribe (geb. 1973, USA)
Die Schau ist Teil des internationalen Kierkegaard Jahres und entsteht in Zusammenarbeit mit dem Festival “200 Jahre Søren Kierkegaard” in Dänemark und international sowie mit Kunsthallen Nikolaj in Kopenhagen, wo die Ausstellung vom 16. März bis 19. Mai 2013 stattfindet. Es erscheint ein Katalog, herausgegeben von Katja Blomberg, im Verlag Walther König in Deutsch und Dänisch.
Kuratiert von Solvej Helweg Ovesen, Gesamtleitung Dr. Katja Blomberg.
Gefördert durch dieKulturstiftung des Bundes; Kierkegaard 2013; Königlich Dänische Botschaft, Kopenhavns Kommune, Statens Kunstrad – Danish Arts Council, The Danish Cultural Institute, Det Obelske Familienfond, Ernst B. Sund Fonden, Goethe-Institut, Burnblock; aus Mitteln des Regierenden Bürgermeisters von Berlin, Senatskanzlei – Kulturelle Angelegenheiten; Kulturamt Steglitz-Zehlendorf / Dezentrale Kulturarbeit; ZEIT-Stiftung; Freunde und Förderer des Hauses am Waldsee e.V.