Videokunstprogramm:
Nina Fischer & Maroan el Sani “Spelling Dystopia” 2008
In Spelling Dystopia beschäftigen sich Nina Fischer & Maroan el Sani mit der japanischen Insel Hashima, die aufgrund der Geschichte ihres kometenhaften Aufstiegs und jähen Niedergangs eine globale Symbolkraft besitzt.
Ehemals nur ein Fels im Meer vor Nagasaki wurde auf der Insel Hashima Kohle entdeckt und 1887 mit dem Abbau begonnen. 1916 wurde auf der Insel das erste Stahlbetonhochhaus Japans errichtet. Während des Zweiten Weltkriegs war Gunkanjima ein Arbeitslager für Kriegsgefangene aus China und Korea. 1959 bewohnten mehr als 5000 Menschen die Insel, die nur 160 x 450 Meter misst. Damit betrug die Bevölkerungsdichte rechnerisch 83.476 Einwohner pro Quadratkilometer – eine der höchsten jemals aufgezeichneten Bevölkerungsdichten der Welt. Im Jahr 1974 wurden die Zeche geschlossen und die BewohnerInnen mussten die Insel verlassen.
Seitdem ist Hashima unbewohnt, und jährliche Taifune tragen zur schnellen Erosion bei. Der jüngeren Generation ist Hashima eher bekannt als Geisterinsel, als Drehort für düstere Science-Fiction-Szenarios, wie in dem japanischen Blockbuster Battle Royale, oder als Motiv für Mangas und Videospiele. Im Film werden Erinnerungen eines ehemaligen Bewohners der Insel – Sohn eines Bergarbeiters, der bis 1974 auf Hashima lebte und heute eine Organisation leitet mit dem Ziel, die Insel als UNESCO Weltkulturerbe zu bewahren – mit den Nacherzählungen von SchülerInnen zum Film Battle Royale verwoben. Dabei erscheint die Insel fast wie eine Phantasie der Kinder, als imaginärer Ort für ihre Spiele. Ein Ort der Erinnerung, der neu besetzt wird, an dem sich Geschichte und Fiktion bereits intensiv vermischen.
Nina Fischer (*1965 in Emden) und Maroan el Sani (*1966 in Duisburg) arbeiten seit 1993 in Film- und Fotoprojekten zusammen, die sich vorrangig mit urbanen Räumen und dem kollektiven Gedächtnis beschäftigen. Als Duo haben sie an zahlreichen internationalen Ausstellungen teilgenommen, u.a. an der Manifesta 13, Marseille 2020, Videonale, Bonn 2019, Media City Seoul Biennale 2014, 2012, Istanbul Biennale 2007, Liverpool Biennale 1999 und der Berlin Biennale 1998. Fischer und el Sani leben und arbeiten in Berlin.